10 years later...

Shin war verzweifelt, denn so sehr er es auch wollte, konnte er den Jungen nicht retten ohne sein Leben zu riskieren und somit anscheinend auch den Stein verlieren. Ohne diesen Stein gab es in seinen Augen keine Hoffnung mehr für Chrono. Doch jetzt hatte der Mann auch nichts mehr wirklich womit er ihm drohen konnte. Um den Jungen möglichst nicht zu verletzen wollte er keinen Angriff aus der Ferne starten und rannte deshalb auf die beiden zu. Doch bevor Shin sie erreichte, sah er wie Noel von hinten aus dem Dickicht sprang. Mit einem ausdruckslosen Blick beschwor Noel ein Zaiphon zwischen seinen beiden Händen und ehe der Mann sich versah, schlug Noel ihm einmal quer über den Rücken. Der Mann ließ von dem Jungen ab, schrie auf und kippte auf seine Knie. "Ich kann es nicht leiden wenn man sich an Kindern vergreift!" lächelte er auf den Mann, zu seinen Knien herab. Noel hatte nicht die Absicht ihn umzubringen, aber zumindestens hatte er ihn genug bearbeitet um ihn kampfunfähig zu machen. Ohne Noel und den Jungen zu beachten, ging er auf den verletzten Mann zu, dessen Kleidung immer röter wurde und packte ihm am Kragen. Shin konnte sich nicht mehr zurückhalten. Dieser Kerl kotzte ihn einfach an. Er schlug ihm mit der bloßen Faust ins Gesicht und nutzte dabei kein Zaiphon. Dieser Mistkerl sollte langsam sterben.

Nai merkte nur noch, dass er losgelassen wurde und hinter ihm Blut spritzte. Er taumelte nach vorne, viel auf die Knie und hustete etwas ab. Nachdem er sich wieder ein bisschen gefangen hatte, drehte er sich um und sah, wie der Kommandant den Anführer gnadenlos verprügelte. Doch Nai empfand keinerlei Mitleid, er war froh, dass der Typ endlich das bekam, was er verdiente. Jetzt, da Nai langsam seine Gedanken wieder beisammen hatte, viel ihm sein Auge wieder ein. Er fasste sich mit der Hand daran. Es schmerzte nich etwas und er spürte ebenso noch das ganze Blut in seinem Gesicht, aber es hatte zum Glück aufgehört. Dazu kam allerdings, dass er wieder bei Punkt Null angekommen war. Beim Militär.

Der Anführer konnte sich nichtmehr wehren. In seiner ganzen Konzentration auf den Kommandant und auf den Jungen, hatte er garnichtmehr auf seine Umgebug geachtet. So schnell konnte er dann nichtmehr reagieren. Tja Arschkarte, er war sich sicher, dass sein Leben bald enden würde. Und das machte ihm Angst. Flehend sah er zu Nai herüber: "Komm schon Junge... du wirst mich doch nicht hängen lassen." Als Nai ihn nur böse ansah fuhr er fort: "Nai... bitte... wer hat dich denn damals bewusstlos aus dem Fluss gefischt?" Nai sah zur Seite, mit wütendem Blick. Ihm war es scheiß egal. Er hatte keinerlei Beziehung oder Gefühle geschweigedenn Mittleid für diesen armseligen Mann übrig.

An Shins Händen klebte bereits sämtliches Blut, doch er hörte nicht auf auf den Mann einzuschlagen. "Halt deine Fresse!" schnauzte Shin ihn an und boxte ihm einmal ordentlich, frontal ins Gesicht. Seine Schmerzensschreie hallten durch den Wald. Als Shin fertig war, gab es nichts mehr, woran man den Mann hätte erkennen können. Er richtete sich auf, sah aus dem Augenwinkel zu Nai und ging auf ihn zu. Im Takt seiner Schritte, zählte Noel amüsiert: "Fünf.. Vier.. Drei.. Zwei.. Eins.." eine Sekunde später wurde es still im Wald.

Als Nai sah, wie der Kommandant zielstrebig auf ihn zukam, wurde er nervös und krallte seine Finger in die Erde. Ebenso konnte er den schadenfrohen Blick des Lieutnant's auf sich spüren. Unsicher sah er dem Kommandant in die Augen und als der ihn am Handgelenk packte und mit sich zog, versuchte Nai sich erstmal zu wehren. Er stemmte seine Füße in den Boden und versuchte sich loszureißen, da bekam er einen Schubs von hinten. Der Lieutnant hatte ihn von hinten mit dem Schwertgriff aus seinem Stand gebracht. Mit einem scheinheiligem Grinsen sagte er zu ihm:"Jetzt benimm dich kleiner und komm mit." Nun wurde Nai wieder klar, dass ihm sowieso keine Wahl blieb, er war wieder gefangen und eingeengt. Niedergeschlagen ergab er sich und ließ sich vom Kommandant mitziehen.

Bald kamen sie wieder im Lager an. Es lag eine düstere Stimmung in der Luft. Nai's Blick streifte immerwieder ein paar Tote, sowohl Soldaten, als auch Anhänger der Bande. Und das war alles nur seinetwegen passiert. Bei diesem Gedanken hätte Nai am liebsten einfach nur geweint, denn er wollte das alles doch garnicht. Ihm wurde unfreiwillig dieses Schicksal auferlegt und nun starben wegen ihm viele Menschen. Doch er durfte jetzt keine Schwäche zeigen, er musste standhaft bleiben. Oder versuchte es zumindest. Er streifte sich nochmal mit der freien Hand über das Gesicht. Das Blut trocknete bereits, aber der Schmerz hatte zum Glück nachgelassen. Doch dann sah Nai, wie sie sich dem Zelt näherten, wo er das das erste Mal gehabt hatte. Das Zelt, welches er als unheimlich empfunden hatte. Kurz versuchte er sich wieder zu wehren und stehen zu bleiben, allerdings drückte der Lieutnant ihn einfach locker weiter. Und der Kommandant ignorierte auch einfach alles, was er tat. Er ignorierte genarell alles um sich herum.

Die Soldaten hatten gute Arbeit geleistet, aber sie hatten auch Verluste einstecken müssen. Doch der Stein war es auf jeden Fall Wert gewesen. Bis Shin keine Lösung gefunden hatte, um den Stein von dem Jungen zu trennen, würde er ihn nie wieder laufen lassen. Wie hieß der Kleine nochmal? Nai? Vielleicht wusste der Junge ja noch etwas was ihm helfen könnte. Shin wies Noel an sich um die Verletzten zu kümmern und zerrte Nai dann in sein Zelt. Das Zelt war eher schlicht eingerichtet. In der Mitte befand sich ein Tisch mit zwei Stühlen und links dahinter eine Matratze, auf der sich sämtliche Dinge stapelten. Shin schaffte es Nai auf einen der beiden Stühlen zu positionieren und setzte sich ihm gegenüber. In seinem Blick lag die Botschaft: Beweg dich nicht sonst wirst du es bereuen!
"Ich kann mich nicht erinnern dir erlaubt zu haben, einfach abzuhauen.." Nai wollte etwas erwiedern, wurde aber von Shin unterbrochen. "Wenn du mir den Stein aushändigst, kannst du natürlich gehen."

Würde man Nai's mentale Verfassung auf einer Skala von 1 bis 10 einzeichnen, läge sein Kreuz definitiv im negativem Bereich. Schon als er sich gezwungenermaßen auf dem Stuhl nieder ließ, wurde er leicht nervös. Und als der Kommandant ihm dann auch noch einfach mal so provokant sagte, er können gehen, wenn er ihm den Stein gäbe, lief das Fass über. Wütend richtete er sich auf, warf dabei fast den Stuhl um, und schlug mit den Händen auf den Tisch. "Verdammt! Von mir aus könntest du diesen verfluchten Stein sofort haben, ich will ihn doch garnicht! Weißt du eigentlich, was ich durchgemacht habe?!" Nai's Gefühle platzten nur so aus ihm heraus und bald liefen ihm die Tränen über sein blutverschmiertes Gesicht. "Ich war immer allein, immer auf der Flucht und wurde immer mit Füßen getreten, weil ich anders war! Ich musste mich irgendwie durchschlagen, bin fast verhungert und immer wenn ich dachte einen Freund gefunden zu haben, wurde ich wieder fallen gelassen!" Er wurde durch sein eigenes Schluchzen unterbrochen, fuhr aber dann wieder fort: "Genauso war es auch mit der Bande, verarscht haben die mich, benutzt, geschlagen und dann ..." Nai wusste, was er sagen wollte, doch es viel ihm wahnsinnig schwer es auszusprechen. Er war verwirrt, hatte angst und wusste einfach nichtmehr weiter. Langsam ließ er sich wieder auf den Stuhl sinken und umgriff sich selbst mit seinen Armen: "... und dann haben sie das immerwieder mit mir gemacht." Die Tränen liefen ihm immerweiter übers Gesicht, er zitterte und machte sich so klein wie möglich.

Shin hörte Nai's Geschichte mit ausdruckslosem Gesicht und verschrängten Armen zu. Shin war es nicht gewöhnt mit dramatischen Gefühlsausbrüchen unzugehen und schwieg zunächst einmal. Er konnte nicht nachvollziehen weshalb der Junge so überreagierte. In seinen Augen musste man für seine Ziele kämpfen und aus der Vergangenheit lernen. Doch Nai hatte ihm noch nicht das erzählt was er hören wollte. In einem ruhigen Ton sprach er zu Nai: "Weshalb bist du denn der Meinung das der Stein ohne dich keinen Nutzen mehr hat?"

Nai saß da und war völlig aufgelöst, allerdings tat es ihm gut den ganzen Frust aus seinem Leben einmal rauszulassen. Vielleicht war das auch der Grund, warum er nun nachgab und dem Kommandant seine Fragen beantwortete. Kurz zögerte er noch und wischte sich mit dem Handrücken durchs Gesicht. Er sah wirklich schlimm aus. "Mein Vater hat mir das erzählt. Ich war damals sehr krank und mein Vater benutzte die Energie des Stein's, um mein Leben zu retten. Danach verschwand er aber. Und mehr weiß ich auch nicht darüber." Nai schluchzte noch weiter, während er versuchte wieder etwas ruhiger zu atmen. Er umgriff sich immernoch mit seinen Armen.

Nai wusste nicht mehr, das spürte Shin, aber das war immerhin schon mal etwas Brauchbares. Doch der Junge zeigte ihm gegenüber immer noch zu wenig Respekt und langsam nervte Shin diese Mitleidsnummer.
„Hey Junge! Stell dich gefälligst nicht so an! Ist dir nicht bewusst, dass dieser Stein über die Zukunft von ganz Erem und Limea entscheidet? Hier geht es nicht mehr nur um dich, sondern um die ganze Welt! Wenn der Stein dich braucht um unserer Welt zu helfen, dann hast du Verantwortung, ob du willst oder nicht. Du verdankst diesem Stein dein Leben, also heul nicht rum und tu deine Pflicht!“
Nai schaute ihn entgeistert an. Anscheinend hatte er mit etwas mehr Feingefühl gerechnet. Doch bevor Nai etwas erwidern konnte, hörte man Schritte vorm Zelt und kurz darauf, kam Noel mit einem endschuldigenden Lächeln ins Zelt hinein. „Kommandant? Alle Verletzten sind in Behandlung und der..“ da fiel Noels Blick auf Nai’s Gesicht. „Ach du meine Güte! Shin?! Warum hast du den Kleinen nicht zu mir geschickt?“ Dann wandte er sich an Nai und bot ihm seine Hand an: „Komm mit mir Junge, ich kümmere mich darum.“
Als Shin das hörte, erhob er sich von seinem Stuhl und stellte sich vor Noel. „Wir sind gerade in einem Verhör, Noel. Ich kümmere mich gleich selbst darum.“ Noel ließ sich kein Erstaunen anmerken, aber er sagte einladend zu Nai: „Hey Kleiner, komm nachher mal bei mir vorbei, dann führ ich dich ein bisschen rum.“ woraufhin Noel einen eiskalten Blick von Shin kassierte.

"Du verdankst diesem Stein dein Leben, also heul nicht rum und tu deine Pflicht!" der Satz hallte noch eine ganze Weile in Nai's Kopf nach, wie ein Echo. Darauf konnte er nichts erwiedern, denn der Kommandant hatt Recht. Als der Leutnant ihn so hektisch ansprach, erschrack Nai zu erst und kam aus seinen Gedanken zurück. Und mal wieder wurde ihm das Wort abgeschnitten, als der Kommandant die Frage für ihn beantwortete.
Den Leutnant befand Nai für überaus seltsam. Er kannte ihn garnicht, wusste nichts über ihn und doch tat er so vertraut mit ihm. Auf dessen Angebot sagte Nai erstmal nichts, aber vielleicht würde er darauf zurückkommen, wenn ihm das nicht auch verwährt wurde. Fast war der Leutnant schon weg, da viel Nai noch etwas ein: "Übrigens: Ich bin kein Kleiner! Ich bin 16 Jahre alt damit das klar ist!" rief er ihm angepisst hinterher.

Nachdem der Leutnant abgezischt war, sah der Kommandant Nai genervt an und setzte sich ihm wieder gegenüber.

Nai sollte also 16 sein? In seinen Augen benahm er sich nur leider nicht so. Noel schien zu merken das Shin etwas verbarg und das machte ihn nervös. "Du wirst dich vom Leutnanten fern halten hast du verstanden?" Er wartete garnicht erst auf eine Trotzreaktion, sondern warf noch schnell ein: "Du darfst dich alleine hier umsehen.. Aber ich behalte dich im Auge! Das dritte Zelt links ist übrigents das Krankenzelt." Mit diesen Worten ging Shin in Gedanken vertieft aus dem Zelt und ließ Nai zurück.

Langsam nervte es Nai wirklich ständig irgendwelche Anweisungen zu bekommen. Der Leutnant schien zwar etwas merkwürdig zu sein, aber eigentlich ganz freundlich. Da fiel Nai ein, dass er ja nun endlich auch die Namen der Beiden raushören konnte. Noel und Shin. Shin...

Als Shin das Zelt verlassen hatte, blieb Nai fürs erste einfach nachdenklich auf seinem Stuhl sitzen. Der konnte sich auch nicht entscheiden. Erst nagelte er Nai förmlich an der Wand fest und auf einmal ließ er ihn frei in seinem Lager rumlaufen. Sichtlich genervt begann Nai mit seinem Stuhl zu schaukeln. Seine Gedanken schweiften immer wieder zu Shin's Predikt zurück. Verwantwortung. Pflicht. Die ganze Welt in Nai's Händen. Momentan fühlte er sich ziemlich erdrückt von so großen Aufgaben. "Du verdankst diesem Stein dein Leben...!" Nai grübelte nach und bemerkte garnicht, dass er sich immer weiter nach hinten lehnte. Bis er schließlich mit einem Krachen rückwärts auf den Boden fiel. "Au,au,au..." etwas benommen blieb Nai noch auf dem Boden liegen. Es war, als wäre er durch den Sturz gerade wachgerüttelt worden. Shin hatte vollkommen Recht. Auch wenn er es ungern zugab. Nur durch den Stein durfte Nai weiterleben. Und die vielen anderen Menschen, die wegen dem Krieg litten, hatten auch ein Recht auf ein friedvolles Leben. Er wusste überhaupt nicht, was er mit dem Stein anfangen sollte, aber in einem Punkt war Nai sich nun sicher: Nie wieder würde er so egoistisch sein und nur an sein eigenes Schicksal denken. Nie wieder würde er für jeden Scheiß rumheulen und sich unterkriegen lassen. Und von nun an würde er versuchen den Menschen dort draußen zu helfen.
Da wäre nur noch ein Problem: Shin... Er würde Nai niemals laufen lassen. Wobei er nicht das Gefühl hatte, dass er ihm irgendwas böses wollte. Denn er hatte die Sache mit dem Stein für sich behalten, scheinbar sogar vor seinem Leutnant, und er hatte ihm bisher nichts schlimmes angetan. Im Gegenteil, gewissermaßen hatte er Nai sogar zwei mal gerettet.

Nachdem Nai eine Weile gegrübelt hatte, bemerkte er, dass er immernoch auf dem Boden rumlungerte. Flott richtete er sich auf und merkte auch wieder seine blauen Flecken. Und sein Gesicht sah ebenfalls noch sehr... verschmiert aus. Also beschloss er Shin's indirekten Rat anzunehmen und sich in Richtung Krankenzelt zu begeben. Wie war das noch? Das dritte Zelt links? Mit einem nun völlig anderem Blick begann Nai aufzustehen und zu gehen.
Im Krankenzelt befand sich zur Zeit niemand, die Soldaten waren wohl alle schon versorgt. Doch gleich auf einem Tisch in der Ecke befand sich alles, was Nai brauchte. Verband, Salbe, Schere. Er nahm sich das Zeug und wusch erstmal sein Gesicht sauber, nachdem er den alten Verband abgenommen hatte. Dann schmierte er auf die blauen Flecken die Salbe, ebenfalls ein bisschen um das Auge herum. Zum Schluss nahm er sich den Verband und wickelte ihn wieder ordentlich über seine rechte Gesichtshälfte. Gerade war er fertig, da sah er, dass seine Hände auch ziemlich verletzt waren. Also machte er auch auf diese Wunden Salbe und versuchte sich irgendwie mit jeweils einer Hand die andere zu verbinden. Da betrat einer der Soldaten das Zelt und Nai sah ihn erschrocken an. "Ach, du bist bestimmt der Junge den der Kommandant aufgegabelt hat." Der Soldat lächelte und sah dann, dass Nai etwas Hilfe gebrauchen konnte:"Oh, warte ich helfe dir." Während er ihm die Hände behutsam verband, mustere Nai ihn. Er war blond, hatte eine schlanke Statur und wirkte noch etwas unsicher in seiner Uniform. "So. Fertig." Der Soldat lächelte wieder. "Sagmal, ..." Nai zögerte. "Was weißt du eigentlich so über Shin?" fragte er dann doch. Daraufhin bekam er einen verwirrten Blick. Dennoch versuchte der Soldat ihm irgendwie eine passende Antwort darauf zu geben: "Mh... also viel weiß ich leider nicht über ihn. Er wirkt sehr autoritär und sehr kaltherzig, doch viele sagen, dass er auch eine gutmütige Seite hat. Und seine Schwert- und Zaiphonfähigkeiten sind atemberaubend, naja sonst wäre er ja auch nicht Kommandant einer Spezialtruppe." Nai sah den Soldaten verwirrt an. Shin und gutmütig? Also das passte in seinen Augen noch nicht so ganz zusammen. Um noch ein bisschen rumzustochern fragte Nai weiter:"Was ist denn eure Aufgabe?" Als Antwort bekam er das, was er erwartet hatte. Den Stein zu finden. War ja klar. Aber warum verheimlichte Shin dann, dass er ihn bereits gefunden hatte ? Das passte alles in Nai's Augen nicht zusammen. "So, ich muss jetzt aber los sonst krieg ich noch mächtigen Ärger." verabschiedete der Soldat sich und ging.

Auch Nai verließ das Krankenzelt wieder und schlenderte nun ein bisschen durch das Lager. Als er an sich herunterblickte, sah er wie heruntergekommen seine Kleidung war. Die viel zu große schwarze Hose, die schon tausend Löcher hatte und das weiße Oberteil, was allerdings schon eher braun war. Aber Nai hatte leider kein Geld, um sich etwas zu kaufen. Sein Leben lang hatte er sich mit nichts durchgeschlagen, gestohlen oder einfach gefroren und gehungert.
Als er wieder in die Nähe von Shin's Zelt kam, sah er wie Noel gerade in das Zelt daneben ging. Womöglich war es sein Zelt. Auch wenn er sich von ihm fernhalten sollte, konnte Nai der Neugier nicht widerstehen und folgte Noel. Etwas unsicher betrat er das Zelt und sagte kleinlaut: "Du hast gesagt ich kann vorbeikommen."

Als Nai, Noels Zimmer betrat breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht aus. „Natürlich, setzt dich zu mir.“ Dabei zeigte er auf einen Hocker neben ihm, der vor einem kleinen Klapptisch stand, auf dem eine schön geschwungene Teekanne und zwei kleine Teetässchen standen, als hätte er Nai bereits erwartet. Er schüttete etwas Tee in die Tasse vor dem leeren Hocker. „Ich sehe du wurdest bereits behandelt.“ Als Nai sich hingesetzt hatte sah er sich skeptisch den Verband an. „Das sieht ja nicht sehr fein aus. Möchtest du, dass ich da nochmal drüber schaue?“ lächelte er Nai wieder freundlich an.

Nai wusste nicht, wie er Noel einschätzen sollte, also beschloss er erstmal ihm einfach bis zu einem gewissem Grad zu vertrauen. Während Nai sich eine Tasse von dem Tee nahm und daran pustete, spürte er dessen undefinierbaren Blick auf sich. "Ich habe den Verband schon selber gemacht, das ist schon in Ordnung so." Still nahm er einen Schluck. Mmmhh.... lange hatte er nichtmehr so etwas gutes getrunken.

"In Ordnung." Noel beobachtete das verträumte Gesicht von Nai. "Es sieht so aus als bedrücke dich irgendetwas. Hier gefangen zu sein ist bestimmt schwer für dich. Wenn du Hilfe brauchst kannst du dich immer an mich wenden. Ja?" aufmunternd zwinkerte er Nai zu.

Nai wunderte sich, dass er ernsthaft auf Verständnis traf. Und das ausgerechnet beim "bestem Kumpel" von Shin. Trotzdem war es ihm etwas unangenehm, dass Noel in ihm so leicht lesen konnte. Dementsprechend wich er dessen Blick unauffällig aus. "Ich.... bin es ja schon gewohnt." Zügig, ohne in Blickkontakt mit Noel zu kommen, stand er auf und begab sich zum Zelteingang. "Danke für den Tee. Lange nichtsmehr so gutes getrunken." Still verließ Nai das Zelt und atmete draußen erstmal tief durch.

Als Nai schließlich aus dem Zelt verschwand zog Noel schmunzeln eine feine Brille aus der Jacke und setzte sie sich auf. Er verschränkte seine Beine, stützte seien Kiefer auf seine Handknöchel, blickte auf eine reichverzierte, grünliche Flagge an der Zeltwand und hauchte „Lag lebe der König“. In seinem blick lag eine gewisse Trauer.

Shin schritt durch das Lager, während seine Augen ausschau nach etwas hielten. Es dauerte nicht lange da fand er auch schon was er suchte. Nai verließ das Zelt des Leutnants mit einem Lächeln, was Shin gar nicht passte. Verärgert stellte er fest, dass der Kleine ihm schon wieder nicht gehorchte und anscheinend Noels Zelt aufgesucht hatte. Dem würde er noch ordentlich die Leviten lesen, aber ganz sicher nicht vor Noels Zelt. In Vorbeigehen packte er Nai am Arm ohne sich über seine Versuche sich zu wehren zu kümmern und zerrte ihn hinter sich her. Ein Soldat schaute Nai mitleidig hinterher. An seinem Zelt angekommen zog er Nai in das Zelt und schubste ihn auf sein Bett. Mit einem eisigen Blick schaute er auf Nai herab. „Ich habe dir erlaubt hier herum zu spazieren mit nur einer verdammten Bedingung! Warum hast du Noel trotz meines Befehls besucht? Möchtest du lieber eingesperrt sein? Wir können ab jetzt niemandem mehr vertrauen! Nicht einmal einem besten Freund..“ Shins Hände ballten sich zu Fäusten und er seufzte, während er enttäuscht und wütend zur Seite schaute. Der Kerl hatte wirklich keine Ahnung von nichts.

Nai wusste garnicht, wie ihm geschah. In der einen Sekunde stand er noch vor dem Zelt und in der anderen fiel er auf das Bett. Erschrocken sah er Shin in die Augen, als dieser ihn anschrie. Daraufhin sah er erst wieder zur Seite auf dessen geballten Fäuste, dann aber fasste er seinen Mut zusammen und kam zu Wort:"Eingesperrt sein?!" Nai's Blick wurde wütend:"Du weißt doch garnicht was eingesperrt sein bedeutet! Du machst doch genau das! Außerdem wem hier soll ich bitte vertrauen? Noel war bisher der Einzige, der mich nicht wie ein Gefangener behandelt hat!" Nai's Wut legte sich wieder etwas, nachdem er Shin so angeschrien hatte. Er verhielt sich kurz still und sah dann vor sich auf den Matratzenboden, sodass man seinen Blick nichtmehr sehen konnte. "Warum.... Warum verheimlichst du das mit meinem Auge überhaupt?.... Wie soll ich denn überhaupt irgendetwas verstehen, wenn es mir niemand erklärt..." seine Stimme war sanft und hatte eine Spur von Bedauern.

Strenge Worte brachten anscheinend Garnichts bei Nai. Shin atmete tief durch um seine Nerven zu behalten. „Na weil es gefährlich ist! Was glaubst du was sie mit dir tun würden, wenn sie wüssten, dass du den mächtigsten, magischen Gegenstand auf dieser Welt besitzt? Noel ist ein herzlicher Mensch, aber ich glaube nicht, dass er so etwas Wichtiges für sich behalten könnte. Wenn Noel von dem Stein erfährt steht unser Leben auf dem Spiel. Vergiss das nicht! Du brauchst mir auch nicht zu vertrauen, denn am besten vertraust du nur dir selbst.“ Shin wartete bis Nai ihm wieder in die Augen schaute. „Trotzdem kann dich nicht gehen lassen.“

Mit gespitzten Ohren lauschte Nai nach Shin's Worten. Vielleicht konnte er ja irgendwann doch mit Shin auskommen, jedenfalls hatte er jetzt ein bisschen ds Gefühl, dass er auf seiner Seite war. Das konnte man zwar immer noch aus verschiedenen Sichten sehen aber Nai hörte aus seinen Worten weit mehr heraus, als es womöglich andere getan hätten. "Ich weiß was passiert, wenn sie mich schnappen würden. Deshalb konnte ich doch bisher nur misstrauisch sein." Nai's Stimme war mittlerweile wieder ruhig und sachlich geworden. Und auch wenn es ihm schwer viel, sich auf Shin einzulassen, tat er es nun doch. "Aber wenn du mich denen nicht auslieferst..." er schluckte einmal kurz und fuhr dann fort:"...dann tue ich, was du mir sagst." Mit einem entschlossenem Blick sah er Shin in die Augen.

Zufrieden nickte Shin. Er setzte sich zu Nai auf das Bett und lehnte sich mit verschränkten Armen nach hinten. Nachdenklich blickte er zur Zeltdecke. „Zunächst einmal müssen wir dir ein Alibi verschaffen! Am besten melden wir dich als neuen Soldat. Das heißt du wirst mit den Anderen trainieren und dir ein Zelt teilen müssen. Und vor allem gehorchst du meinen Befehlen. In Ordnung?“ Nai stimmte ihm zu und Shin hatte eine Sorge weniger. „Na dann komm ich zeig dir wo dein Zelt und deine Uniform sind.“

Fürs erste konnte Nai die Zukunft kommen lassen. Er wusste nicht, was sie ihm bringen würde und doch ließ er sich darauf ein. Jedenfalls war eins klar: Er wollte stärker werden und sein Leben von nun an anders angehen.
Shin führte ihn zu einem der kleineren Zelte und stellte ihn den anderen Soldaten als neuen Rekrut vor. Keiner stellte irgendwelche Fragen, auch nicht als Shin das Zelt wieder verlassen hatte. Es waren vier, mit Nai nun fünf Soldaten, die sich nun das Zelt teilten. Nai ging still in eine freie Ecke und legte seinen wenigen Kram, den er bekommen hatte, dort ab. Der Abend verging schnell, denn alle legten sich früh schlafen. Nai war gespannt, wie der nächste Tag aussehen würde. Er hatte nun einen Unterschlupf, neue Kleidung und ein Ziel.

Wie er sich gedacht hatte, wartete kein Traumleben auf ihn. Shin nahm ihn ohne Schonung als einen echten Rekrut war. Nai musste nachts Wache halten, die alltäglichen Aufgaben zum Überleben erledigen, trainieren und auf kleinere Patrouillen gehen. Wobei er stets unter Aufsicht von Shin stand. Gleich am Anfang bemerkte Shin, dass Nai nicht so wirklich mit dem Schwert umgehen kann. Nachdem auch Nai es selbst störte, dass er immer so hilflos war, bat er ihn um Trainingsstunden. Von Noel hielt er sich fern, auch wenn dieser immerwieder versuchte in seine Nähe zu kommen. Mit der Zeit entspannte Nai sich auch etwas und auch wenn Shin ihm oft die kalte Schulter zeigte, wusste er, dass er es nicht so meint.
Allerdings war Nai ebenso klar, dass es so nicht sein Leben lang weitergehen konnte. Es war ohnehin schon sehr riskant sich ausgerechnet beim Militär einzuquartieren.

Es vergingen ein paar Wochen und alles lief problemlos. Mittlerweile hatte die Truppe die Grenze von Erem nach Limea überschritten und die Gegend wurde immer unsicherer.
Momentan hatte Shin sich mit seiner Truppe in einer Gegend mit vielen Bergen niedergelassen. Nicht weit vom Lager entfernt fand wiedermal am frühem Morgen Nai's Training statt.

Ein Hieb von links unten, dann gerade nach vorn. Nai gab sich alle Mühe gegen Shin anzukommen, doch dieser sah seine Angriffe mit Leichtigkeit vorraus. Mittlerweile war Nai schon ganz gut geworden, er entwickelte sich schnell und lernte dazu. Natürlich reichte es noch lange nicht aus, um auf Shin's Niveau zu kommen. Doch verteidigen konnte er sich von nun an alleine.
Ein weiterer Angriffsversuch folgte und Shin wich locker zur Seite aus und stellte Nai gleichzeitig ein Bein. Nai viel zu Boden und drehte sich schnell rum, in der Erwartung, dass gleich ein Angriff kommen würde.

Während Shin und Nai die Schwerter kreuzten, dachte Shin über seinen Schüler nach. Er hatte sich inzwischen einen gewissen Respekt bei ihm verschafft, da er diszipliniert seinen Anweisungen folgte und er durch seinen Mut und seine Willensstärke in kurzer Zeit viel erreicht hatte. Vielleicht war er ja doch ganz brauchbar und praktisch war es auf jeden Fall, wenn der Kleine sich einigermaßen zu wehren wusste. Trotzdem musste er noch viel lernen.. Mit diesem Gedanken ließ er Nai demonstrativ über sein Bein fliegen. Shin grinste auf Nai herab. Er fand es amüsant mit ihm zu spielen. Doch dann verfinsterte sich seine Miene wieder und er schnellte auf den am Boden liegendem Nai zu. Kurz danach hatte Shin seine Hand an Nais Hals und übte etwas Druck auf seine Kehle aus. Das Schwert stach er neben seinen Kopf in den Boden und sein Gesicht war nur noch einige Zentimeter von seinem entfernt. Sein Blick war eisig. „Wenn du gestürzt bist, darfst du nicht eine einzige Sekunde zögern! Egal wie stark dein Gegner ist, du musst immer wieder aufstehen!“ Shin richtete sich wieder auf. Was war denn nur los mit dem Jungen? Von ihm hätte er so einen Fehler nicht erwartet. War das vielleicht doch ein wenig zu viel für ihn? Doch dann sah er Nais Blick und vergaß seine Zweifel wieder. Er erwiderte ihm ein Lächeln. „Merk dir das gut.. Denn wenn du am Boden liegst reicht dir das nächste Mal vielleicht keiner mehr die Hand.“ Shin hielt Nai seine Hand hin.

Nai hatte sich nicht anmerken lassen, dass er bei Shin's Griff kaum Luft bekam. Erst zögerte er, als dieser ihm seine Hand hinhielt. Dann aber lächelte er und ergriff sie doch. Locker wurde er von Shin wieder auf die Beine gezogen. Nai war sichtlich erschöpft vom Training, wobei er nie einen Ton sagte und nie das Training von sich aus beendete. Er machte einen Schritt nach vorn, als sein Körper plötzlich versagte und er zusammenbrach. Im Sturz jedoch fing Nai sich wieder und stützte sich gerade noch auf den Knien auf. Sofort versuchte er sich wieder aufzurappeln: "Ich kann noch weitertrainieren!". Während er langsam wieder auf die Beine kam strich er sich mit der einen Hand leicht über seine rechte Gesichtshälfte. "Der Stein macht mich nur in den letzten Tagen wahnsinnig." Nai sah Shin in die Augen und setzte ein Lächeln auf.

Als Nai behauptete er könnte noch weiter trainieren blickte Shin ihn argwöhnisch an. Shin konnte schon immer einschätzen wann Menschen ihn anlügen, aber das jetzt hätte vermutlich jeder Amateur erkannt. Shin wollte das Training grade für beendet erklären, als Nai von seinem Auge berichtete. Shins Augen wurden zu Schlitzen, er packte ihn mir einer Hand an der Schulter und sah ihn eindringlich an. „Was ist mit dem Stein? Ich möchte jede Einzelheit hören! Und versuch es gar nicht erst runter zuspielen!“